Hausärztliche Gemeinschaftspraxis

Drs. med. Hans-J. Herr, Carmen Ramm u. Martin Wetzel

Fachärzte für Allgemeinmedizin

Antibiotika – Fluch oder Segen?


Die Entdeckung der Antibiotika Ende des 19. Jahrhunderts ist eine der sensationellsten Entdeckungen der Medizin. Hiermit wurde es plötzlich möglich, Krankheiten zu heilen, an denen Millionen starben: Milzbrand, Lungenentzündung, Tuberkulose, Blutvergiftung, Typhus, Syphilis. Dank Antibiotika kennen wir viele dieser Erkrankungen heute kaum noch. Aber etwas ist schief gegangen: Zunehmend finden wir Bakterien, die gegen alle Antibiotika resistent sind.
Der Begriff „Antibiotikum“ kommt aus dem Griechischen und Lateinischen und bedeutet „Gegen das Leben“. Antibiotika töten Bakterien. Bei Viren sind sie wirkungslos. Antibiotika töten alle Bakterien, sie können nicht unterscheiden zwischen den Bakterien, die uns krankmachen und den Bakterien, die wir für unsere Gesundheit brauchen.

Die Geschichte der Antibiotika

Das Antibiotikum (Mehrzahl: die Antibiotika) gilt als Entdeckung von Paul Ehrlich 1910. Bekannter ist die zufällige Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming 1928. Dieses wirkte erstmals breit gegen viele Bakterien. Allerdings konnte es in nennenswerten Mengen erst 1942 hergestellt und eingesetzt werden. Penicillin ist heute oft ein Synonym für Antibiotika, so wie Tempo bei Taschentüchern. Es gibt aber eine Vielzahl unterschiedlicher Antibiotika, Penicillin ist nur eines davon. Das ist insofern wichtig, da es öfter Patienten mit Penicillinallergie gibt. Andere Antibiotika vertragen diese Patienten aber in der Regel problemlos.
Tatsächlich sind Antibiotika schon viel eher entdeckt worden: 1893 durch Bartolomeo Gosio und 1897 durch Ernest Duchesne. Leider fanden deren gute Arbeiten keine Beachtung, es dauerte noch über eine Generation, bevor die Menschheit lebensrettende Antibiotika zur Verfügung hatte.

Nebenwirkungen

Antibiotika sind meist recht gut verträglich.  Nebenwirkungen können besonders dadurch auftreten, dass neben den krankmachenden Bakterien auch unsere „guten“ Darmbakterien getötet werden. Eine häufige Folge ist Durchfall. Vor diesem kann man sich schützen, indem man Probiotika nimmt (Pro-biotika = Für das Leben). Probiotika bestehen aus unseren „guten“, gesunden Darmbakterien. Damit können Sie Ihre Darmflora wieder herstellen, wenn sie durch Antibiotika geschädigt ist. Fragen Sie uns danach, denn viele frei verkäufliche Präparate versprechen zu viel.
Eine ähnliche Ursache haben Pilzerkrankungen, die besonders bei Frauen nach Antibiotikagabe auftreten.
Eine recht häufige Nebenwirkung ist auch ein Hautausschlag, oft im Rahmen einer Allergie.
Selten sind schwere, auch tödliche Allergien oder Schäden an Organen. Ein großes Problem ist hierbei, dass Menschen bereits eine Allergie entwickeln können, obwohl sie dies Antibiotikum noch nie eingenommen haben, weil sie mit Antibiotikaresten in Lebensmitteln sensibilisiert wurden.
Manchmal sind bei der Behandlung einer Krankheit mehrere Antibiotika nötig. Grund ist, dass kein Antibiotikum gegen alle Bakterien wirksam ist, sondern jedes Antibiotikum hat ein bestimmtes Spektrum von Bakterien, gegen die es wirkt. Wird nun bei einer Therapie ein Antibiotikum gegeben, zu dessen Spektrum das hier vorhandene Bakterium nicht passt, bleibt es wirkungslos und ein neues Antibiotikum muss gegeben werden.

Resistenzen

Die größte Sorge aber bezieht sich auf ein anderes Phänomen: Die Zunahme der Resistenzen bei Bakterien. Eigentlich ein natürlicher Vorgang in der Natur: durch ständige genetische Veränderungen schaffen es Bakterien, sich vor Antibiotika zu schützen.
Je mehr Antibiotika gegeben werden, desto mehr erhöht sich der Druck auf die Bakterien, sich zu verändern. Es bleiben nach der Antibiotikagabe Bakterien über, die gegen das Antibiotikum unempfindlich sind. Werden diese Bakterien nicht durch die körpereigene Abwehr abgetötet, können sie sich vermehren und bei der nächsten Infektion nützt das Antibiotikum nichts mehr. Inzwischen gibt es immer mehr Bakterien, die gegen viele und manchmal sogar gegen alle Antibiotika resistent sind.
Das Horrorszenario wäre, wenn diese Bakterien sich massiv vermehren könnten, viele Menschen befallen und es keine Antibiotika mehr gibt, die helfen können.  Schon jetzt müssen die letzten Antibiotika eingesetzt werden, die entwickelt wurden. Eigentlich sollten sie Reserve-Antibiotika sein für den Fall, dass andere Antibiotika nicht mehr helfen. Nun müssen sie schon so oft eingesetzt werden, dass auch hiergegen Resistenzen entstehen. Je mehr Antibiotika gegeben werden, desto mehr Resistenzen entwickeln sich und desto näher kommen wir diesem Horrorszenario.
Darum müssen wir feststellen: Jedes Antibiotikum, das unnötig gegeben wird, kann nicht nur dem Patienten schaden, sondern erhöht auch die Gefahr für alle Menschen!

Der „Fluch“ der Antibiotika

Allein im Jahr 2005 infizierten sich rund 3 Millionen Europäer mit Bakterien, die gegen alle Antibiotika resistent sind. 50.000 starben daran.  Man kann es nicht oft genug betonen: Antibiotika wirken nur gegen Bakterien! Damit haben sie Millionen das Leben gerettet vor tödlichen Krankheiten.
Die meisten Erkältungen sind nicht tödlich. Allein deshalb ist der Einsatz von Antibiotika für jede harmlose Erkältung schon unsinnig. Dazu kommt aber, dass die meisten Erkältungen von Viren ausgelöst werden. Hiergegen sind Antibiotika völlig wirkungslos. Sie helfen nicht, sie verkürzen die Dauer der Erkrankung nicht, sie stillen den Husten nicht, sie senken nicht das Fieber. Selbst die häufigen Erkrankungen wie Mittelohrentzündung oder Nebenhöhlen-Entzündungen werden meist von Viren hervorgerufen. Hier werden aber die meisten Antibiotika verschrieben – sinnlos, belasten den Körper, erzeugen Resistenzen.
Manchmal kommt es vor, dass sich auf die von Viren entzündete Schleimhaut im zweiten Schritt Bakterien raufsetzen (sogenannte Superinfektion). Das ist dann die Situation, in der ein Antibiotikum wirklich erforderlich ist.

Kinder und Antibiotika – unterschätztes Problem

Infektionen der oberen Atemwege, die besonders bei Kindern vorkommen sind:

  • Mandel- und Rachenentzündung: Die Ursache sind vorwiegend Viren. Eine wichtige Ausnahme ist Scharlach, das unbedingt mit einem Antibiotikum behandelt werden muss.
  • Mittelohrentzündung: Auch bei der Mittelohrentzündung sind die häufigsten Erreger Viren. Tatsächlich heilen 80% der Mittelohrentzündungen ohne Therapie in 7 Tagen ab. Antibiotika sind nur in wenigen Ausnahmen indiziert, z. B. bei Säuglingen oder sehr schwerem Krankheitsbild.
  • Nasen- und Nasennebenhöhlen-Entzündung: Ursache sind auch hier meist Viren. Die Krankheit heilt in der Regel von allein.

Das Problem bei diesen Erkrankungen ist, dass sie häufig gleich mit Antibiotika behandelt werden. Besonders wenn die Kinder Schmerzen und Fieber haben, wird schnell ein Antibiotikum gegeben.
Antibiotika haben aber keinerlei schmerzstillende Wirkung. Auch keine fiebersenkende Wirkung. Und sie können nichts gegen die Viren ausrichten.  Manche Kinder haben in ihrem Leben schon zig Antibiotika bekommen – nach neuesten Untersuchungen oft völlig unnötig. Der Körper zerstört die Viren ganz von allein, aber das dauert eben ein paar Tage. Antibiotika können dabei kein bisschen helfen – und belasten auch noch den Körper.
Das heute empfohlene Vorgehen ist: Sofern es keinen Hinweis auf ein Bakterium als Ursache gibt (also meist): Erkältungsmittel geben, ggf. Fieber senken und Schmerzen stillen, kontrollieren. Ein Antibiotikum ist erst dann erforderlich, wenn sich ein Bakterium nachträglich auf die Erkältung setzt.
Das gilt auch, wenn eine Erkältung mal länger dauert: Selbst wenn sie im Einzelfall 6 Wochen dauern sollte, hilft sich der Körper alleine und ein Antibiotikum kann nichts ausrichten.

Der falsche Umgang mit Antibiotika

Die Presse wirft Ärzten immer wieder vor, zu oft nachzugeben, wenn Eltern Antibiotika fordern.  Auch in unserer eigenen Praxis haben wir erlebt, dass Mütter unzufrieden sind, wenn wir ihrem Kind „nur“ ein Erkältungsmittel aufgeschrieben haben. Und Mütter dann einen anderen Arzt gefunden haben, der ihnen das Antibiotikum gibt, das sie für ihr Kind wollten.
Dass Menschen daraufhin mit uns unzufrieden sind, ist uns nicht immer leicht gefallen. Trotzdem weigern wir uns, unseren Weg zu ändern. Vielleicht weiß die eine oder andere Mutter heute aber, dass wir ihrem Kind etwas Gutes damit getan haben, es nicht unsinnig mit Antibiotika zu belasten.

Der richtige Umgang mit Antibiotika

Nach dem, was wir heute über Antibiotika wissen, erkennt man einen guten Arzt daran, dass er erläutert, warum in einer bestimmten Situation ein Antibiotikum gegeben werden muss oder warum gerade nicht. Vernünftig ist, eine virusbedingte Erkältung ohne Antibiotikum zu behandeln. Das gilt besonders auch für Nasennebenhöhlen- oder Mittelohr-Entzündungen. Allerdings muss dann sehr schnell wieder kontrolliert werden, um nicht zu verpassen, falls ein Bakterium dazukommt und doch noch ein Antibiotikum eingesetzt werden muss.
Es ist aufwändiger, ein Kind öfter zu kontrollieren, aber jedes Mal, wenn es möglich ist, dass die Erkältung ohne Antibiotikum ausheilt, hat es sich gelohnt!
Es gibt heute medizinische Leitlinien, die klar vorgeben, dass Erkältungen, Mittelohrentzündungen und Nebenhöhlenentzündungen in aller Regel ohne Antibiotikum behandelt werden. Die Ausnahmen zu erkennen, dazu sind erfahrene Haus- und Kinderärzte in der Lage. Wenn Sie nicht sicher sind, ob der Arzt richtig entschieden hat, frage Sie nach! Stutzig sollten Sie werden, wenn ein Hausarzt oder eine Kinderärztin häufig Antibiotika für Erkältungen aufschreibt.

Der Segen der Antibiotika

Genauso falsch wie die ungezielte Gabe von Antibiotika wäre es aber, Antibiotika komplett abzulehnen. Nach wie vor würden manche sterben oder Dauerschaden nehmen, wenn eine durch Bakterien verursachte Krankheit nicht richtig behandelt wird. Wenn Ihr Arzt Ihnen ein Antibiotikum verschrieben hat, ist Angst unberechtigt.
Antibiotika retten heute immer noch Leben, und deshalb nehmen Sie es beruhigt, wenn der Arzt entdeckt, dass z. B. eine Lungenentzündung, eine Blasenentzündung oder eine Wundrose durch Bakterien verursacht werden.

Tiere und Antibiotika

Auch das geht immer wieder durch die Presse: in Tieren aus Massentierhaltung werden oft Antibiotika nachgewiesen und die reichliche Antibiotikagabe in der Massentierhaltung fördert die Bildung resistenter Bakterien. Auf Geflügel konnten jüngst solche Bakterien nachgewiesen werden. Wie weiter oben gesagt, ist diese Resistenzentwicklung eine Bedrohung für uns alle.
Deshalb kann es nur eine Forderung geben: Weg mit der breiten Antibiotikagabe in der Tiermast. Und wenn die Massentierhaltung ohne Antibiotika-Massen nicht möglich ist: Dann weg mit der Massentierhaltung! Wir züchten uns hier wirklich eine unüberschaubare Gefahr heran.
Aber jeder kann jetzt schon etwas zu seinem Schutz tun. Insbesondere Tiere aus Biohaltung haben in der Regel deutlich weniger Antibiotika bekommen. Nun ist Fleisch aus Biohaltung deutlich teurer. Aber zum einen sollte uns das nach allem hier Gesagten das wert sein, zum anderen wissen wir mittlerweile, dass es gut für den Organismus ist, wenn wir Fleisch und Wurst seltener zu essen, als bisher gewohnt. Fleisch seltener und dafür in besserer Qualität, preislich kommt das aufs Gleiche raus, Gesundheit und Geschmack freuen sich aber.

MRSA und Co

MRSA steht für „Methicillin-resistente Staphylococcus aureus“. Ein Bakterien-Stamm, der gegen Methicillin und andere Antibiotika resistent ist. Man nennt das multiresistent.

Wie schon berichtet gibt es immer mehr Bakterien, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Besonders MRSA, ORSA, VISA sind Abkürzungen für Problemkeime, bei denen nur noch wenige oder manchmal keine Antibiotika mehr anschlagen. Viele von diesen werden bei Krankenhauspatienten nachgewiesen. Betroffene Patienten müssen besonders im Krankenhaus isoliert werden, bis der Keim nicht mehr nachweisbar ist, um eine Ausbreitung zu vermeiden. Inzwischen haben wahrscheinlich alle Arztpraxen schon Pat

 

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